New Work Design – im Gespräch mit Daniela Kanoun

5 Min. Lesezeit
7. Oktober 2019

Daniela Kanoun ist Unternehmensberaterin und Coach. Menschen zu begegnen, ihre Geschichten zu erfahren und sie ein Stück ihres Weges zu begleiten, ist für sie eine zutiefst erfüllende Aufgabe, die sich besonders im Change Management findet. Sie begleitet seit fast 20 Jahren Unternehmen im Wandel und beschäftigt sich mit der neuen Art des Arbeitens. 

Danieala Kanoun

 

 

 

 

 

Frau Kanoun, was ist das Erste was Ihnen in den Sinn kommt, wenn Sie an „New Work Design“ denken?
Eines der ersten Dinge, das mir dazu einfällt ist das Wort: Mindset. Ich habe im Change Management oft erlebt, dass viele neue Prozesse aufgesetzt werden, die digitale Arbeitsplätze ermöglichen. Und doch fällt es den Menschen schwer, sie zu leben. Schlichtweg, weil sie von ihrer Denke einfach noch woanders stehen.

Unternehmen schreien oft „agil“ in die Runde und wissen jedoch nicht, was das für sie im konkreten Fall bedeutet. Früher hat das im Übrigen „flexibel“ geheißen. Doch genau dort merkt man die Lücken bei New Work: die Technik und das Mindset jener Personen, die sie nutzen sollen. Hier findet dann die digitale Transformation ihren Andockpunkt.

 

Sehen Sie die digitale Transformation damit als Teil von New Work?
Ja, unbedingt, obwohl digitale Transformation ja auch für viele nicht nur positiv behaftet ist. Der Begriff hat keine globale und eindeutige Definition, daher spielt sich da viel Kopfkino ab. Das Wort löst im Vorfeld vielleicht Begeisterung aus, doch wenn man es ganzheitlich betrachtet, merkt man im Unternehmen erst, was das für ein Stück Arbeit ist. Es ist ja nicht mit dem Digitalisieren von Dokumenten getan, sondern Menschen müssen lernen sich damit neu oder anders zu vernetzen, da spielt die Kommunikation und das Miteinander eine große Rolle. Wenn Prozesse hinter New Work richtig aufgesetzt sind, haben wir Zeit für den wirklich wichtigen Faktor: den Menschen, der arbeitet.

Man muss aber auch sagen, nicht jede Kollegin oder jeder Kollege, findet Neues Arbeiten spannend. Es gibt in jeder Organisation unterschiedliche Menschentypen und manche wollen auch gar nicht flexibel arbeiten und sich selber mit den neuen Möglichkeiten organisieren. Diese Menschen mögen Rituale und Routine. Genau diese Balance zu finden in Unternehmen, auch als Führungskraft, ist eine Herausforderung.


Wie sehen Sie das Spannungsfeld der Generationen – gibt es das überhaupt?
Ich denke, es hat sich nur die Kommunikation verändert aber nicht die grundlegende Art des Arbeitens. Jede Generation hat das Thema, dass man die nachkommende verstehen möchte in ihrem Wesen. Ja natürlich, es ist alles viel schneller geworden mit der Technik, aber es hat schon immer Menschentypen gegeben, die mehr Freiheit oder mehr Führung gebraucht haben.

In meiner Generation, also den 70er Jahren, haben wir stets auf den Weg bekommen, dass Leistung gefordert ist und wenn du fleißig bist, dann erreichst du bestimmte Karrierestufen. Ich beobachte aber zunehmend auch bei Führungskräften, dass ein Bewusstseinswandel einsetzt. Klimawandel, Integration, soziale Ungerechtigkeit. Da merkt man bei den Menschen, dass Arbeit einen anderen Stellenwert einnimmt und nicht mehr das Lebensziel ist. Das Management sollte Attraktoren schaffen, die Menschen auch wirklich anziehen. Der Obstkorb reicht dafür nicht. Hier kommt der persönliche oder gesellschaftliche Sinn der Arbeit ins Spiel.


Wieso holpern viele New Work Projekte in der Umsetzung?
Aus meiner Erfahrung heraus, definieren Organisationen eines nicht – was bedeutet für uns „New Work“? Hier gibt es Ansätze von der IT Umstellung, über Leadership Trainings bis hin zu Mitarbeiterveranstaltungen. Diese Bandbreite überfordert Unternehmen, denn man möchte alles gleichzeitig starten, aber die emotionalen Aspekte werden ausgeblendet. Das ist der Zeitpunkt, bei dem sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oft übergangen fühlen, weil sie beim Prozessdesign nicht mitwirken konnten.

Zweites Thema: Kundinnen und Kunden werden übersehen, denn auch die haben dann in aller Regel mit dem Neuen Arbeiten zu tun. Siehe das aktuelle Beispiel Internet Banking. Als nicht digital affiner Mensch, hast du da keine Chance mitzukommen und diese Services zu nutzen. Eine riesen Veränderung.


Wenn wir über Veränderung sprechen, was löst das in Unternehmen aus?
Ich setze mich seit 10 Jahren mit Veränderung auseinander und eines kann ich mit Gewissheit sagen: der Großteil der Menschen tut sich schwer damit, ganz gleich in welchem Bereich. Es gibt also wenige Veränderungsjunkies denn viel mehr Veränderungsverweigerer, das liegt in der Natur der Sache.

Damit musst du als Unternehmen rechnen und vor allem auch aushalten, dass die Menschen nicht gleich die Welle dazu machen. Da hört man viel schneller die Argumentationen „das geht nicht, weil …“ und auch das muss angehört werden aus Organisationssicht. Wichtig als Unternehmen ist es aber das große Ganze zu sehen, Entscheidungen treffen und Ängste zu nehmen. Wir gehen unaufgeregt diesen Weg aber schaffen dennoch Räume, die Platz für Zweifel und Unsicherheit geben. Was ist der Nutzen und der Sinn hinter der Veränderung? Wer das beantworten kann, hat schon die halbe Strecke geschafft.


Sind Unternehmen nicht mutig genug, um echte Veränderung herbeizuführen?
Durchaus, viele Unternehmen haben Angst, dass sie plötzlich alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verlieren, wenn anders gearbeitet wird. Ich kenne kein Unternehmen, bei dem das eingetroffen ist. Veränderung bedeutet nicht, dass alle im Boot sind. Es bedeutet viel mehr, dass sich Unternehmen und ihre Belegschaft auch neu finden, im positiven wie im negativen Sinn. Auch durch eine Nicht-Veränderung verliert man Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, denn für diese Personen geht in der Organisation schlichtweg nichts weiter. Das sind oftmals jene Menschen die gerne an Innovationen und neuen Ideen arbeiten, aber den nötigen Raum dafür im Unternehmen nicht finden.

Was jedoch nicht Sinn der Sache ist, ist es Veränderungsprozesse anzustoßen, weil es grad modern ist. Die Balance zwischen „was können wir belassen“ und „wo wollen wir hin“ zu finden, dass ist individuelles New Work Design.


Sehen Sie einen Statusverlust bei Führungskräften und New Work?
Ganz im Gegenteil – es hat eine tief menschliche Komponente und genau dort werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Führungskräften abgeholt. Das Management von Zahlen löst in uns ja noch nicht viel aus, aber wenn die Menschen dahinter von Leadership abgeholt werden, dann erhöht das sogar den Status der Führungskraft. Das hat aber sehr wohl mit Vertrauen zu tun – ich steuere nicht mehr alles selbst, sondern traue meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr Selbstorganisation, Kollaboration und Spielraum zu. Das ist der Change Prozess, bei dem Manager auch mal kurz im freien Fall sind, wenn sie von einer thematischen Liane zur anderen springen und nicht alles im Griff haben. Doch das Ergebnis spricht für sich: eine Belegschaft, die sich mehr zutraut und sich auch mehr einbringt.


Wo sehen Sie den nächsten Trend, wenn es um das zukünftige Arbeiten geht?
Wenn Unternehmen es schaffen, sich ihrer selbst bewusst zu werden, dann liefern sie für sich eigentlich alle Trends schon mit. Ob man nun für Tradition, Innovation oder alles dazwischen steht. Dadurch ergibt es für neue und bestehende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sinn, genau dort zu arbeiten auch unter Berücksichtigung einer immer globaler werdenden Welt. Grenzen verschwimmen zunehmend und eine Organisation zu finden, die sich durch Werte und eine gelebte Arbeitswelt identifizieren lässt, das ist der entscheidende Pull-Faktor auf unserem Arbeitsmarkt für die Zukunft.

 

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